Studien & Fazite

Die Arbeitspsychologie liefert viele Daten, die für das Thema ‚Pause‘ als gesicherte Grundlage angesehen werden dürfen. Aufschlussreich ist im Speziellen das Gutachten zuhanden des Bundesamts für Justiz, das Prof. Dr. Norbert K. Semmer und Maria U. Kottwitz, Dipl.-Psych. vom Institut für Psychologie der Universität Bern 2011 aus Anlass der Abstimmung zur Abstimmung ‚Sechs Wochen Ferien‘ verfassten.

 

Insgesamt steigende Anforderungen und steigender Erholungsbedarf (4.4.1 , S.28, 29)

Mehr Leistung wird mit immer weniger Personen erzielt; personelle und und zeitliche Puffer werden mehr und mehr abgebaut.

– zunehmend komplexe und verantwortungsvolle Aufgaben unter hohem Leistungs- und Zeitdruck (vgl. Rigotti & Mohr, 2008; Sparks, Faragher & Cooper, 2001)

–  sehr starker psychischer und nervlicher Anspannung am Arbeitsplatz (rund 36% der Frauen und 46% der Männer) und häufig empfundener Stress/ Zeitdruck (62%), Nervosität (33%) und Überforderung (20%)  – Staatssekretariat für Wirtschaft SECO (2009)

– gut 60% der Vollzeitbeschäftigten arbeiten an mindestens einen Tag im Monat über 10 Stunden (davon 30% bis zu fünf Tage im Monat); unter den Teilzeitbeschäftigten  30% (davon 20% bis zu fünf Tage im Monat) – Staatssekretariat für Wirtschaft, 2009

– Angst vor Verlust der Arbeitsstelle (13% der Erwerbstätigen), trotz tiefen Stand der Erwerbslosenrate (2007 : 2.8% im Jahresmittel); mehrere psychosoziale Risikofaktoren (gut 30% der Erwerbstätigen, 2007) – Staatssekretariat für Wirtschaft, 2009

– körperliche Belastungen (45% der männlichen und 39% der weiblichen Erwerbstätigen);  mehrfache physische Risikofaktoren wie Tragen oder Bewegen schwerer Lasten, Ausführen beständig gleicher Hand- oder Armbewegungen, schmerzhafte oder ermüdende Körperhaltungen (mindestens 25%) – Bundesamt für Statistik, 2010

 

Kurzpausen (2.1, S.5)

Exponentiell steigende Ermüdung und exponentiell abnehmende Erholung: Generell gilt, dass mehrere kurze Pausen gleicher Gesamtdauer einen grösseren Erholungswert haben als wenige längere Pausen  (einige Minuten pro Stunde, bis ca. 10 Minuten) – Richter & Hacker, 1998, S. 101

 

Beanspruchungs-Erholungs-Zyklen (4, 4.1, S.25)

Dauerhaft mangelnde Erholung sind ein Risikofaktor für Gesundheit und Produktivität, während eine optimale Beanspruchung langfristig Voraussetzung für den Aufbau und Erhalt von Ressourcen  ist (Energie, Kompetenz und Gesundheit).

Pausen während des Arbeitstages: Viele kurze Pausen während der Arbeit fördern die Erholung, vermindern die Gefahr von Unfällen, Verletzungen und Fehlern, fördern die Produktivität, so dass die Leistung in der Regel nicht sinkt; oft steigt sie sogar.

tägliche und wöchentliche Arbeitszeit: Lange Arbeitszeiten erhöhen die Gefahr von, beeinträchtiger Gesundheit (psychisch und physisch), Unfällen, Verletzungen und Fehlern (auch nach der Arbeit; z.B. Unfälle auf dem Weg nach Hause), sowie Beeinträchtigungen des Familienlebens.

 

Erholungswirkung ist abhängig von Zeit und Qualität (4.2, S.27, 28)

Entscheidend ist die erlebte Qualität: Merkmale guter Qualität der arbeitsfreien Zeit sind Aktivitäten, die man gerne macht, selbstbestimmte Aktivitäten, körperliche Aktivität, soziale Aktivitäten, Abschalten von Arbeitsproblemen (ausser: positive gedankliche Beschäftigung mit der Arbeit) und hohe persönliche Ressourcen (gute Gesundheit, geringe Erschöpfung, psychische Stabilität).

Mangelnde Qualität arbeitsfreier Zeit ist typischerweise charakterisiert durch Mangel an Aktivität, Grübeln über Arbeitsprobleme, Weiterarbeiten, insbesondere wenn Druck erlebt wird, weiter zu arbeiten (inkl. ständige Erreichbarkeit), Aktivitäten, die nicht selbstbestimmt sind und die ständige Überwindung (Selbstregulation) erfordern.

Vielzahl von Faktoren: Inwieweit es gelingt, freie Zeit so zu gestalten, dass sie optimal erholsam wird, hängt ab von der Person (z.B. Gesundheitszustand, „Ausgangs-Erschöpfung“, psychische Stabilität (z.B. Neigung zur Rumination), Eigenaktivität in der Gestaltung der Freizeit), von den privaten Umständen (z.B. Klima in der Familie; private Sorgen), den Ferienumständen (z.B. Schwierigkeiten bei der Reise; Qualität der Unterbringung, etc.), und den Arbeitsbedingungen (z.B. Arbeitsbelastungen; Arbeitsklima; Zwang zu ständiger Erreichbarkeit; Menge unerledigter Arbeiten, die nach den Ferien nachzuarbeiten sind).

 

Freizeitaktivitäten (2.4.2.3, S.16)

Erholung bedarf einerseits einer ausreichenden Dauer, aber auch einer erholungsfördernden Qualität von Freizeitaktivitäten.  Freizeitaktivitäten fördern in dem Mass die Erholung, in dem sie das Abschalten fördern (Detachment), in dem sie Erfolgserlebnisse fördern (Mastery), in dem sie aktiv auf Entspannung ausgerichtet sind, in dem man selbst über sie entscheiden kann, und je weniger sie ständigen Selbstregulationsaufwand erfordern (Trougakos et al., 2009). – Sonnentag und Geurts (2009)

aus > Auswirkungen von Pausen auf Freizeit und Produktivität

Burnout-Studien: Zwischen 1997 und 2004 stieg die Zahl laut einer DAK-Untersuchung der wegen Depression oder Burnout krank gemeldeten um 70%. Bereits Ende der Neunziger litten 85% aller Führungskräfte unter psychischer Erschöpfung. Die Hälfte schaffte es nicht, während der Dienstzeit eine Pause zu machen. Unter den IT-Spezialisten sich nach einer Untersuchung des Instituts für Abreist- und Sozialhygiene 41 Prozent von  Burnout bedroht.

Umfragen zu Arbeitszeit: Trotz gesetzlich auf 40 Stunden festgelegter Arbeitsstunden arbeiten laut einer Umfrage der Boston Consulting Group 94% aller Wissensarbeiter in Branchen wie Finanzindustrie, Werbung oder Informationstechnik 50 Stunden pro Woche. Fast die Hälfte der 1000  Befragten brachte es nach eigenen Angaben auf 65 Stunden.

 

Im Vergleich zu 1970 leisten deutsche Arbeitnehmer heute nur noch gut ein Drittel der damals durchschnittlich 160 bezahlten Überstunden im Jahr.

Obwohl die registrierte Arbeitszeit sinkt – auch wegen zunehmender Verbreitung von Teilzeit – , fühlen sich immer mehr Menschen permanent unter Termindruck, Entscheidungsstress und Zeitnot. 1990 beklagten sich noch 50% aller Bescäftigten über zu enge Zeitvorgaben, zehn Jahre später waren es schon 60%, fand die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound) heraus.

20-30% aller Erwerbstätigen fallen mittlerweile unter sogenannte ‚Arbeitsregime‘, denen zufolge sie dauernd erreichbar sein müssen.

aus > ’15 Minuten Ewigkeit‘ von Bettina Musall und Janke Tietz, Der Spiegel, Magazin Nr. 4, 210 S.14 – 21

siehe auch Studie: Bereits Grundschüler fühlen sich gestresst