Etymologie

Pause kommt von ‚geschehen lassen’

Zeitforscher Erwin Heller, Präsident des „Vereins zur Verzögerung der Zeit“ schreibt am 20.12.2012

Die Essenz vom Wort „Pause“. Die liegt in der (wohl indogermanischen) Silbe „pau“, gleichbedeutend mit „wenig“. Sie zeigt sich z.B. im lateinischen „paucum“ wenig = ital. poco, frz peu; lat. pauper arm = frz. pauvre, engl. poor.

Das Urwort zur Dynamisierung dieses „wenig“ ist wohl altgriech. „παΰειν“ (pauein) mit dem Bedeutungsbereich „aufhören machen, beenden, besänftigen, stillen“ (davon: παΰρος (pauros) klein, wenig; Ή παΰλα (paula) die Rast, Ruhe). Die Silbe pau(w) endete wohl ursprünglich auf ein Digamma (Lautwert „w“), ein ausgestorbener griechischer Buchstabe, der die schwer sprechbare und ungeliebte Silbenfolge „auei“ (im Griechischen Hiatus, Gähnlaut genannt) vermeiden sollte. Deshalb tauchen dann l/r als eingeschobene Folgelaute auf, oder ein Hauchlaut aus der h/ch/c-Kette, der dann in weicheren Sprachen zum Zischlaut s abgetönt wird: lat. pau-s-a, pau-s-e. Die Silbe pau halte ich für sehr lautmalend: dem noch dynamischen p folgt so eine Art „Luft herauslassen“ wie bei „aus“, oder wie wir „puuuh“ sagen.

Zum „Geschehen Lassen“ komme ich in einer zweiten Stufe, weil das altgriech. pauein nur als transitives „aufhören machen“, nicht aber als intransitives „aufhören“ gebräuchlich war (dafür verwendete das Altgriechische dann die Verbform des „Mediums“, ein Mittelding zwischen Aktiv und Passiv). Der Vorgang, der beschrieben wird, ist also der des allmählichen „immer weniger machen“. Mit dem „weniger Machen“ ist im selben Fließen das allmähliche „immer mehr zulassen“ untrennbar verbunden; wo die Energie des Machens aufhört, bekommt und besetzt das ungesteuerte Außen, das Wartende, Unbewußte den aufgegebenen Raum. „Weniger machen“ ist in unserer Logiksprache genauso Quatsch wie „nicht machen“, weil da kein „machen“ mehr ist; was wir aber ausdrücken können, ist eben der innere und dann äußere zunehmende Verzicht auf das Aktiv(e) und das gleichzeitig vermehrte Zulassen des Passiv(en). Daß das Griechische für diesen Übergang das „Medium“ verwendet, ist also nicht nur eine zufällige grammatikalische Spielerei, sondern bildet das Geschehen richtig ab.

 

Jeder, der mal im Stress was fertig zu machen hatte, kennt dieses Gefühl des „nicht aufhören Dürfens“, weil man  genau weiß, daß im Moment des Stops die ganze Müdigkeit, Unlust „hochkommt“. Solange man unter Stress steht, hält man das alles mehr oder weniger gewaltsam unter der Decke; Pause machen läßt dann geschehen und ermöglicht die Wahrnehmung des Verdrängten, Erkenntnis (letztlich die Grundstruktur von Meditation). Wie John Lennon formulierte: „…whisper words of wisdom: Let it be“.

Wenn Sie also die Pause „füllen“ (Zigarettenpause; „lila Pause“; „have a break, have a kitkat“), sind Sie nicht mehr im Lassen-Modus. Das ist der formell unlösbare Widerspruch. In der Realität wollen wir aber natürlich meist nicht gerne den ungewohnten absoluten Null-Modus, sondern lieber Pause light.

 

Einträge zu ‚Pause‘, ‚passieren‘, ‚Passion‘, ‚passiv‘, ‚Passus‘ nach ‚Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache‘ (De Gruyter, 25. Auflage, S. 687  und 690)

Kluge Etymologie